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Code ist Kommunikation – nicht nur für Compiler

Programming • 11. Dezember 2025 • Lesezeit: 5 Minuten

Wenn man über Programmierung spricht, denkt man oft an Logik, Algorithmen und Syntax. Doch im Kern ist Code mehr als nur eine Abfolge von Befehlen, die ein Computer ausführt. Code ist Kommunikation – eine Form des Ausdrucks zwischen Menschen, die eine Maschine als Übersetzer nutzt. Der Compiler mag der erste sein, der den Code liest, aber er ist nicht der wichtigste Adressat. Der wichtigste Leser ist immer ein Mensch.

Ob in einem kleinen Team, einem großen Unternehmen oder in einem Open-Source-Projekt – Code wird nicht nur geschrieben, um eine Funktion zu erfüllen. Er wird geschrieben, um verstanden, gepflegt und weiterentwickelt zu werden. Diese Einsicht verändert die Art, wie man programmiert, grundlegend. Denn wer programmiert, schreibt keine einmalige Nachricht, sondern einen fortlaufenden Dialog mit allen, die den Code irgendwann lesen, erweitern oder refactoren müssen – und dazu gehört auch das eigene zukünftige Ich.

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass guter Code in erster Linie effizient sein müsse. Natürlich sollte Software performant und ressourcenschonend sein, aber Lesbarkeit ist kein Luxus, den man sich gönnt, wenn Zeit bleibt. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass Software langfristig funktioniert.

Denn lesbarer Code ermöglicht es, in kürzester Zeit zu verstehen, was passiert – ohne dass man jeden einzelnen Befehl analysieren muss. Dafür braucht es sprechende Variablennamen, eine saubere Struktur und eine klare Absicht hinter jedem Abschnitt. Variablen- und Methodennamen wie calculateTotalSalary() oder findActiveUsers() erzählen sofort, was sie tun. Namen wie x1 oder doIt() tun das nicht.

Lesbarkeit bedeutet aber auch, dass der Code wie ein Text gelesen werden kann. Gute Entwickler schreiben keine Zeilen, sie formulieren Gedanken. Sie achten darauf, dass der Aufbau logisch ist, dass die Abschnitte eine erkennbare Reihenfolge haben, und dass das Gesamtbild stimmig bleibt.

Und auch Kommentare können hilfreich sein, wenn sie erklären, warum etwas getan wird – nicht was getan wird. Wenn der Code lesbar ist, erklärt sich das „Was“ von selbst. Ein Kommentar wie // addiere den Bonus zum Grundgehalt über der Zeile salary += bonus; trägt nichts zum Verständnis bei. Doch ein Kommentar wie // temporäre Lösung bis zur neuen Gehaltsberechnung im Q3-Release kann entscheidend sein, um den Kontext zu verstehen.

Ein Kommentar sollte also nicht beschreiben, was offensichtlich ist, sondern was nicht im Code stehen kann: Hintergründe, Entscheidungen, Annahmen, Einschränkungen. Wer solche Informationen dokumentiert, kommuniziert mit zukünftigen Lesern, die vielleicht andere Rahmenbedingungen haben oder andere Annahmen treffen.

Lesbarkeit entsteht auch nicht nur durch einzelne Namen oder Kommentare, sondern durch Struktur. Gute Software folgt einem erkennbaren Muster. Sie zerlegt komplexe Probleme in überschaubare Einheiten und sorgt dafür, dass sich ähnliche Dinge ähnlich verhalten.

Das Prinzip „Don’t Repeat Yourself“ hilft nicht nur, Redundanz zu vermeiden, sondern sorgt auch für Konsistenz. Wenn sich die Logik an mehreren Stellen wiederholt, wächst das Risiko, dass sie an einer Stelle angepasst, an anderer aber vergessen wird. Strukturiert man den Code so, dass jede Verantwortung nur an einem Ort liegt, erleichtert man zukünftige Änderungen enorm.

Ebenso wichtig ist es, Grenzen klar zu definieren. Module, Klassen und Methoden sollten eine klare Aufgabe haben und nicht mehr. Wenn eine Methode mehr als eine logische Funktion erfüllt, wird sie schwieriger zu verstehen und zu testen. Lesbarer Code folgt dem Prinzip der Klarheit: Eine Aufgabe, ein Ort, ein Zweck.

Viele Entwickler unterschätzen, wie schnell sie vergessen, was sie selbst geschrieben haben. Ein halbes Jahr nach der Fertigstellung wirkt der eigene Code oft so fremd, als stamme er von jemand anderem - manchmal sogar schon nach ein paar Wochen. Deshalb lohnt es sich, beim Schreiben immer auch an das zukünftige Ich zu denken.

Man sollte den Code so schreiben, dass man ihn nach längerer Zeit problemlos wieder versteht – ohne Kommentare, ohne lange Einarbeitung. Wenn man das erreicht, hat man gute Kommunikation geleistet. Denn das bedeutet, dass man nicht nur technisch korrekt gearbeitet, sondern auch auf Verständlichkeit geachtet hat.

Ein weiterer Aspekt der Verständlichkeit sind Teamkonventionen. Sie sind keine bürokratische Einschränkung, sondern eine gemeinsame Sprache. Wenn ein Team einheitliche Formatierungen, Benennungen und Strukturen nutzt, muss niemand darüber nachdenken, wie eine bestimmte Funktion wohl aufgebaut sein könnte.

Konventionen reduzieren Reibung. Sie schaffen ein gemeinsames Verständnis dafür, wie etwas auszusehen hat, und fördern damit Lesbarkeit im gesamten Projekt. Selbst wenn man in einem Team mit verschiedenen Erfahrungsstufen arbeitet, können klare Konventionen die Qualität des Codes erheblich verbessern – weil sie eine gemeinsame Basis schaffen.

Guter Code ist also mehr als eine funktionierende Lösung. Er ist Ausdruck von Respekt – gegenüber den Kollegen, die ihn lesen müssen, und gegenüber dem eigenen zukünftigen Selbst.

Wer Code schreibt, der lesbar, konsistent und verständlich ist, denkt über den Moment hinaus. Er sieht Programmierung nicht nur als technische, sondern als kommunikative Tätigkeit. Denn Code, der nur vom Compiler verstanden wird, mag funktionieren – aber Code, der auch von Menschen verstanden wird, bleibt bestehen.

In diesem Sinne ist jedes Code-Review, jedes Refactoring und jede bewusste Benennung ein Beitrag zu besserer Kommunikation. Und genau das macht den Unterschied zwischen jemandem, der programmiert, und jemandem, der Software entwickelt.

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Als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und IHK-geprüfter Ausbilder teile ich auf meinem Blog Grundlagen- und Fortgeschrittenen-Wissen für angehende Entwickler*innen und Interessierte, sowie weitere spannende Themen aus der IT.

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