Die meisten, die mich nun schon ein Weilchen kennen wissen, dass ich einiges meiner Freizeit auf Plattformen wie Twitch und YouTube zu Konsumzwecken verbringe (wenn nicht, dann bist du jetzt im Bilde). Gern schaue ich - wie vielleicht du auch - ein paar Videos oder Livestreams zur Entspannung, zum Lernen, Nachschlagen oder einfach zur Unterhaltung und dies hat sogar für mich das klassische Fernsehen oder sogar das Filme und Serien schauen so gut wie abgelöst.
Doch in den letzten Jahren hat sich einiges geändert und das bringt mich dazu diesen Beitrag zu schreiben.
Dabei geht es hier vordergründig nicht mal um den Content der einzelnen Videos, bzw. Streams als vielmehr um die Plattformen auf denen ich diesen Content konsumiere.
Mit den Jahren zeigt sich nämlich immer deutlich, was der Fokus dabei eigentlich ist und worin das Geschäftsmodell besteht und das ist - völlig überraschend - Werbung.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass zu Beginn dieses "Hypes" viele unterschiedlichste Menschen angefangen haben Content zu produzieren einfach "weil sie Bock drauf hatten" und "Spaß daran" hatten diesen Content zu produzieren und ihn anderen - kostenlos - zur Verfügung zu stellen. Der Preis dafür war ein Like und die Generierung von Reichweite und Bekanntheit. Und genau das konnte man auf diesen Plattformen auch tun und genau dafür waren sie auch gedacht.
In den letzten Jahren aber hat man erkannt, dass es immer mehr Leute gibt, die diesen (kostenlos produzierten) Content konsumieren und hatte die wunderbare Idee, diesen Content zu monetarisieren - und das vorallem für die Plattform. So kam es, dass es vor, in oder nach Videos und Streams, Werbung zu sehen gab damit sich die Plattformen die Taschen weiter voll machen konnten. Der Aufschrei aus Konsumenten sich war dabei ziemlich leise denn es kamen AdBlocker und Skripte auf den Markt, die das Einblenden von Werbung unterbinden konnten.
Doch dann kam der Aufschrei der Creator die festgestellt haben, dass die Plattformen mit ihren (kostenlosen) Content Geld verdienen was in der Folge dazu führte, dass die Erlöse aus der Werbung geteilt wurden - je nach Plattform mit unterschiedlicher Aufteilung (shares). So waren die Plattformen glücklich und die Creator begannen für ihren Content Geld zu verdienen. Das war die Geburtsstunde der Influenzer.
An jeder Ecke schossen neue Influenzer aus dem Boden, überall wurde jeder und alles vermarket und jeder noch so nieschenhafte Content wurde ins Netz gestellt um daran zu verdienen. Und auch die Werbeindustrie erkannte das Potenzial und stieg mit Kooperationen und anderem tiefer in das Geschäft mit ein.
Mittlerweile sind wir an einen Punkt angelangt wo es mich persönlich nur noch nervt und ich feststelle, dass ich immer weniger dieses Contents konsumiere - und das nicht wegen dem Content sondern dem drum herum.
Du willst auf Twitch ein bisschen durchzappen um neue Kanäle zu entdecken? Klar, hier sind 5 Werbespots die du dir ansehen MUSST um überhaupt erstmal zu diesem Kanal zu kommen. Ach ja, und mittendrin, wenn es so richtig spannend ist, kann es sein, dass du ebenfalls wieder 3 bis 5 Werbespots gezeigt bekommst, die du natürlich nicht überspringen kannst.
Du willst diese YouTube Video sehen? Klar, nur 3 Werbespots und du kannst starten. Und auch hier werden wir dir im Video erneut Werbung anzeigen - ist doch wohl klar, oder?
Was zur Hölle?
Die Plattformen und Werbetreibenden haben auch erkannt, dass das immer mehr Menschen wirklich stört, weshalb die Konsumenten zu immer ausgereifteren AdBlockern greifen was wiederum zur Folge hat, dass es auch immer neue Werbeformen und ausgereiftere Techniken gibt Werbung auszuspielen, die sich eben nicht mehr (so einfach) blocken lässt. Ein Wettrennen, ja ein Wettrüsten zwischen der Werbeindustrie und AdBlock-Herstellern ist entfacht. Dieses Wettrennen hat sogar soweit geführt, dass Google - als Hersteller des Chrome Browsers (und großer Mitsprecher der Basisengine Chromium) der von der Mehrheit der Menschen zum browsern verwendet wird - bestimmte Protokolle geändert hat (Manifest v3) die es AdBlock Herstellern schwieriger macht, das ihre Anwendungen richtig eingesetzt werden können.
Die jüngste Entwicklung, nämlich WIE YouTube feststellt, dass du einen Adblocker benutzt, wird demnächst wohl erst einmal gerichtlich überprüft werden.
Mittlerweile werden auf diesen Plattformen Unsummen an Geld verdient und wenn man so schaut, was die Top Content-Creator verdienen, dann kann man sich ausmalen, wie viel die entsprechenden Plattformen damit verdienen müssen. Und der einzige Weg, sich ein wenig davon zu befreien ist - große Überraschung - dafür zu Bezahlen. Aber das garantiert dir natürlich auch nicht vollständige Werbefreiheit - eben nur ein bisschen.
Absolut unverhältnismäßige Werbung war für mich - neben dem Content - der Hauptgrund, weshalb ich meinen Konsum vom klassischen, linearen Fensehen abgelegt habe und jetzt wird es der Grund sein, warum ich auch den Großteil meines Konsums auf den "neuen" Plattformen ablegen werde.
Versteht mich nicht falsch, es geht mir nicht darum, dass Creator nicht für ihre Arbeit bezahlt werden sollen - das sollen sie gewiss, aber das war nicht die Intention mit der sie ursprünglich begonnen haben ihren Content zu kreieren (natürlich ist das aber heute der Grund warum sie Content produzieren).
Das Internet als Ganzes ist heute zu einem einzigen großen Werbetopf verkommen in dem es einfach alles zu monetarisieren gilt was es gibt. Es gibt nahezu keine Webseite mehr, die keine Werbeanzeigen hat oder ohne eine Momentarisierungsmöglichkeit ausgestattet ist. Der ursprüngliche Gedanke, dass das Internet frei und für alle verfügbar sein soll, ein Ort an dem jeder die Möglichkeit hat sich kostenlos über alles informieren zu können ist zu einem Molloch für Werbung geworden und es gibt hier keinen Weg mehr zurück. Werbung hat längst die Kontrolle über das Internet übernommen und bestimmt damit in gewisser Weise auch den Inhalt ansich, bzw. hat es zumindest einen Einfluss auf das, was wir im Internet zu sehen bekommen.
Meine News-Seite, die ich in der Vergangenheit immer gern gelesen habe, weil es die einzige Möglichkeit war, sich über sehr lokale Ereignisse zu informieren besteht in einem einzigen Beitrag mittlerweile zu 75% aus Werbung. Je Artikel eine ganze Seite mit vielleicht 4 Absätzen Text und zig Werbeeinblendungen auf der kompletten Seite. Dazu modale Dialoge die dich auffordern vielleicht ein Plus-Abo abzuschließen um keine Werbung mehr sehen zu müssen - die man natürlich nicht so einfach schließen kann.
Vor ein paar Wochen wollte ich einfach mal eine Runde Solitär spielen - dafür gibt es in Windows ja eine integrierte Version und sogar in dieser wird mir mittlerweile Werbung angezeigt. Werbung auch im Betriebssystem selbst, für Windows 11 oder den Edge Browser - für ein Betriebssystem für das ich vor ein paar Jahren viel Geld auf den Tisch gelegt habe.
Ich bin müde geworden von all diesen Dingen. Ich habe es satt ständig Werbung ausgesetzt zu sein die mir überall gegen meinen Willen ausgespielt wird.
Ich kann verstehen, dass es gewisse Konzepte gibt, die sich durch Werbung finanzieren und ganz grundsätzlich habe ich da auch nichts gegen. Ein gutes Beispiel dafür ist Software. Es gibt zum Beispiel eine freie - werbefinanzierte Version - und eben eine, die ich kaufen kann. Beide Versionen unterstützen auf eigene Art die Entwicklung und hier greife ich bei Gefallen auch gern auf die volle Version zurück und bezahle dafür. Dieser Gedanke fehlt mir bei Video-Content aber total. Denn hier bezahle ich nicht für den Content (wo ich ansolut nichts gegen hätte) denn ich bezahle hier die Plattform die einen Bruchteil dafür an die Content-Creator abgibt und mir trotzdem an etlichen anderen Stellen Werbung ausspielt.